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Beton – Entwicklungen und Tendenzen

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Fachtagung des Verbands Deutscher Betoningenieure in Friedrichshafen

Prof. Dr.-Ing. Matthias M. Middel, auf der Mitgliederversammlung im Amt bestätigter 1. Vorsitzender des VDB, mit ESA-Generaldirektor Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner (rechts) vor dem Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen. Foto: VDB

Zahlreiche Betontechnologen folgten im Mai 2016 der Einladung des Verbands Deutscher Betoningenieure e. V. (VDB) zur Fachtagung in das Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen. Die fast 2000 Mitglieder des Verbands sind bei Transportbetonherstellern, in Zementwerken, in Fertigteilwerken, in Bauunternehmen, an Hochschulen usw. tätig. Zu den wichtigsten Aufgaben des VDB gehören die Förderung des Erfahrungsaustauschs zwischen den Mitgliedern sowie die Information über den neuesten Stand der Technologie. Die alle zwei Jahre stattfindende bundesweite Fachtagung bietet die Möglichkeit, übergreifend interessierende Themen von renommierten Fachleuten vortragen zu lassen und den Kontakt der Mitglieder über die Grenzen der Regionalgruppen des Verbands hinweg zu pflegen. Die diesjährige Fachtagung am 4. Mai 2016 befasste sich vorrangig mit Themen zur Nachhaltigkeit, anspruchsvollen Aufgaben für Betoningenieure und der Weiterentwicklung der Betonnormen.

Bauen auf dem Mars

Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner, seit dem 1. Juli 2015 Generaldirektor bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA, trug nicht das erste Mal bei einer Fachtagung des VDB vor. Bei der VDB-Fachtagung 1996 in Erfurt – damals als Professor für Massivbau und Präsident der TH Darmstadt – war sein Thema „Beton beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“. Seine neue Tätigkeit und sein diesjähriges Thema zeugen von der Vielseitigkeit des Berufsbilds des Betoningenieurs. In einem faszinierenden Vortrag entführte er die Teilnehmer in die Welt der Raumfahrt und die damit in nicht allzu ferner Zukunft verbundenen Bauaufgaben. Dabei stellen die Zuverlässigkeit der Konstruktionen, Strahlenschutz, Wartungsfreiheit, die Berücksichtigung der begrenzten Ressourcen, das Fehlen jeglicher Konvektion (Heizen/Kühlen) und der Gravitationsstabilität besondere Herausforderungen dar. Siedlungen auf dem Mars hält er aufgrund der Gegebenheiten für nicht empfehlenswert. Für ihn ist „Moon Village“ das Nahziel.

Nachhaltigkeit von Beton – Erfahrungen aus den Niederlanden

In den Niederlanden gehen die Bauherren in der Vergabephase besondere Wege bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden. Nachhaltiges Bauen ist ein wesentlicher Bestandteil des nachhaltigen und schonenden Umgangs mit der Umwelt. Da Beton bekannterweise der meist angewandte Baustoff weltweit ist, ist nachhaltiges Bauen mit Beton von großer Bedeutung. Die Konzepte für die Planung, Qualitätssicherung und Bewertung beim nachhaltigen Bauen sind bereits sowohl auf der europäischen Ebene als auch länderspezifisch in Europa erarbeitet. Die Umsetzung dieser Konzepte befinden sich aktuell in unterschiedlichen Stadien. Über das in den Niederlanden entwickelte Modell zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden und die Erfahrungen aus den Niederlanden zum nachhaltigen Bauen mit Beton berichteten Dr. Gert van der Wegen VDB, NL-Stein, Dr. Michael Lichtmann VDB, Krefeld, Dr. Mantijn van Leeuwen, NL-Bussum und Dr.-Ing. Steffen Grünewald, NL-Oosterhout. Bei diesem System werden die Pluspunkte in der Nachhaltigkeit in Euro bewertet und verringern quasi die  Angebotssumme.

Neue Betonnormen mit europäischen Zielen und nationalen Interessen

Prof. Dr.-Ing. Rolf Breitenbücher VDB, Bochum, ging in seinem Vortrag darauf ein, was den Betoningenieur mit den kommenden neuen Betonnormen erwartet. Eine Reihe von Ereignissen im Jahr 2014 haben gezeigt, dass für die Weiterentwicklung der Betonnormen, die sowohl europäischen Zielen als auch den nationalen Interessen gerecht werden sollen, neue Konzepte erforderlich sind. Diese Konzepte können nur durch ausreichende Kommunikation und Mitarbeit aller am Bau Beteiligten – Planer, Bauausführende und Baustoffhersteller – erfolgreich entwickelt und umgesetzt werden.

Dr.-Ing. Stefan Kordts sieht auf den Betoningenieur noch mehr Verantwortung zukommen. Foto: VDB

Darum brauchen wir den Betoningenieur!

An dieses Thema knüpfte Dr.-Ing. Stefan Kordts VDB, Münster, mit seinem Vortrag an. Weiterentwicklungen in der Betontechnologie ermöglichen es, sowohl die hohe Tragfähigkeit von Beton und Stahlbeton zu nutzen als auch alle Anforderungen an die Dauerhaftigkeit zu erfüllen. So stellt die Betonbauweise eine zuverlässige Technologie dar, um Bauaufgaben zu realisieren und weitere Einsatzgebiete zu erschließen. Dazu ist es aber erforderlich, die Wechselwirkungen aller in modernen Betonen enthaltenen Komponenten zu verstehen und zu beherrschen. Dies allein ist schon eine wichtige Aufgabe für den Betoningenieur. Die Betontechnologie unterliegt jedoch auch einer Reihe von äußeren Zwängen, die in letzter Zeit dazu führten, dass manche Betone als sensibel und eingeschränkt gebrauchstauglich beschrieben werden. All diese Entwicklungen sollen in einem neuen Normenkonzept für die Herstellung und Verwendung von Beton berücksichtigt werden, wodurch die Verantwortung des Betoningenieurs noch steigen wird. Das heutige deutsche Normenkonzept arbeitet mit einheitlichen Regelungen für alle Betone. Derzeit diskutierte Modelle sehen vor, Bauwerke gemäß den Beanspruchungen zu klassifizieren. Während bei „normalen“ Aufgaben der Standard der heutigen Norm ausreichen soll, müssen Planer, Bauausführender und Baustoffhersteller bei höheren Anforderungen an die Qualität zusätzliche Maßnahmen definieren. Dazu sind kompetente Ansprechpartner bei allen am Bau Beteiligten erforderlich. Für den Baustoff Beton kann dies nur der Betoningenieur sein. Kontraproduktiv in dieser Hinsicht ist aber, dass in Zeiten starker Umsatzrückgänge Strukturen verschlankt wurden und Fachkräfte abwanderten, in Zeiten steigender Umsätze aber nicht wieder dementsprechend aufgebaut wurde und wird.

Zur Qualität von Betonbauwerken

Dr.-Ing. Thorsten Stengel, München, ging in seinem Vortrag auf aktuelle Beispiele aus der Gutachterpraxis ein. Auch wenn die Betonbauweise im Kern bereits auf eine rd. 2000 Jahre lange Tradition zurückblicken kann, so werden die am Bauen Beteiligten dennoch immer wieder vor Herausforderungen gestellt, die besondere Lösungsansätze – unter Umständen auch abseits von bestehenden technischen Baubestimmungen – erfordern. Oftmals gehen die zu lösenden Fragestellungen auf neue Anwendungsgebiete (technisch oder regional), neue Entwicklungen in der Bau- und Baustoffindustrie oder neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Forschung zurück. Oberstes Gebot bei der Erarbeitung von Lösungsansätzen muss dabei selbstverständlich die Sicherstellung einer den Sicherheits- und Gebrauchstauglichkeitsanforderungen gerecht werdenden Qualität sein. Vor diesem Hintergrund wurden im Vortrag drei unterschiedliche Fragestellungen aufgegriffen und erläutert. Dabei handelte es sich um die Beurteilung eines Sulfatangriffs auf ein Tunnelbauwerk sowie Empfehlungen zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit, die Ursachen und die Beurteilung der Konsequenzen eines Absetzens des Betons in einer massigen Bodenplatte und die Untersuchung und Beurteilung von Betonen für ein Brückenbauwerk im Hinblick auf die zu erwartenden Kriech- und Schwindverformungen. Dr. Stengel erläuterte die jeweiligen Aufgabenstellungen und zugehörigen wissenschaftlichen Hintergründe. Darauf aufbauend leitete er als sinnvoll erachtete grundsätzliche Handlungsempfehlungen sowie Lösungsansätze ab.

Selbstverdichtender Beton beim Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance

Im Hochgebirge des schweizerischen Unterwallis entsteht derzeit eines der leistungsstärksten Pumpspeicherkraftwerke Europas, das mit einer Leistung von 900 MW jährlich rund 2,5 Mrd. kWh Strom erzeugen wird. Jürg Steiner, CH-Interlaken, gab einen spannenden Einblick in die Entscheidungsprozesse für die Konzepte zur Herstellung, der Schalungen und der Betonierverfahren. Das Konzept sieht vor, das Gefälle zwischen den beiden bestehenden Stauseen Emosson und Vieux Emosson zur Stromerzeugung zu nutzen. Aus Gründen des Landschafts- und Umweltschutzes wird die gesamte Anlage unterirdisch erstellt. Rund 1,7 Mio. m³ Felsgestein sind für die 17 km Stollen auszubrechen, wobei das Ausbruchmaterial zum Teil als Gesteinskörnung für den Ortbeton und Spritzbeton verwendet wird. Die Vertikalstollen werden zunächst im so genannten Raise-Drill-Verfahren gebohrt und anschließend durch Sprengungen auf den endgültigen Querschnitt aufgeweitet. Aus hydraulischen Gründen werden die Vertikalstollen mit einer glatten Stahlbetonschale mit einer Gleitschalung verkleidet. Die kontinuierliche Versorgung mit Beton stellen zwei untertägige Betonmischanlagen sicher, für die eine eigene Kaverne ausgebrochen wurde. Ortbeton (Strukturbeton, Kavernen, Innenschalen, Triebwasserwege sowie Panzerrohr-Hinterfüllbeton) wird fast ausschließlich als Selbstverdichtender Beton (SVB) hergestellt und eingebaut. Neben allgemeiner Schalungs- und SVB-Technologie berichtete Steiner über das im Rahmen der besonderen örtlichen Gegebenheit umgesetzte Auswahlverfahren von Systemschalungen, Betonierverfahren und der Herstellung von SVB nach Eigenschaften und nach Zusammensetzung.

Pumpen von Betonen – Baustoffliche und maschinelle Anforderungen und Entwicklungen

Prof. Dr.-Ing. Harald Garrecht, Stuttgart, ging intensiv auf den Zusammenhang zwischen Betonausgangsstoffen, Betonzusammensetzung und Betonpumpen ein. An seinem Lehrstuhl in Stuttgart wurden intensive Untersuchungen zum Einfluss von Betonzusammensetzung, Mischenergie und Michdauer durchgeführt. Bei den Untersuchungen zum Verhalten von SVB beim Pumpen stellte Garrecht z. B. fest, dass beim zweistufigen Mischen – mit Kolloidalmischer und Doppelwellenmischer – das Setzfließmaß günstiger ist als bei anderen Mischverfahren.

Quelle: Verband Deutscher Betoningenieure e.V.


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