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Betonfertigteile mit induktiver Ladetechnik

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Von der Leine gelassen: PRIMOVE für Buslinie in Mannheim

Die neuen E-Busse fahren auf einer 9 km langen Strecke in Mannheim. Foto: HeidelbergCement AG/Steffen Fuchs

Es ist dem Pioniergeist von Carl Benz zu verdanken, dass Mannheim als Geburtsort des Automobils und als Stadt der Mobilität gilt. Auch wenn Benz´ Sohn Eugen anfangs noch mit einer Flasche Benzin nebenher laufen musste, um bei Bedarf nachzuschütten – die erste öffentliche und dokumentierte Ausfahrt mit dem „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“ am 3. Juli 1886 auf der Ringstraße in Mannheim leitete ein neues mobiles Zeitalter ein.

Rund 130 Jahre später knüpft die Stadt Mannheim zusammen mit der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv), der Bombardier Transportation GmbH, dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) an den Pioniergeist des Mannheimer Erfinders an: Ab Mitte 2015 sollen zwei E-Busse auf der neun Kilometer langen Strecke der Linie 63 zwischen Mannheim Hauptbahnhof und Pfalzplatz fahren. Strom tanken können die E-Busse während der kurzen Standphasen an den beiden Endhaltestellen sowie an vier Haltestellen entlang der Strecke – und zwar kabellos. Das Geheimnis steckt in den in die Straße eingelassenen Betonfertigteilen, die mit sensibler Elektronik, dem induktiven PRIMOVE Ladesystem der Firma Bombardier ausgestattet sind. Das Prinzip funktioniert ähnlich wie bei einem Induktionskochfeld:

Steht der Bus an einer der PRIMOVE Haltestellen, wird unter dem Fahrzeug eine Induktionsladeeinheit bis dicht über die Fahrbahnoberfläche ausgefahren, über welche die Batterie des Busses kontaktlos mit 200 Kilowatt aufgeladen wird. Das geht 83 mal so schnell, wie mit einer gewöhnlichen Haushaltssteckdose. „Laden & los“ – so fasst die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH das Projekt zusammen. „Angesichts der Tatsache, dass heute nahezu alle Elektrogeräte kabellos betrieben werden, scheint es wenig sinnvoll, Elektrofahrzeuge weiterhin an die Leine zu legen“, sagt Susanne Schwarz, Head of Communications GSC & PRIMOVE bei Bombardier. „Kabelgebundenes Laden ist nicht nur unhandlich, sondern darüber hinaus für die sichere Übertragung von Hochleistungsenergie ungeeignet.“

Für die Herstellung der Elektronik-Betonfertigteile holte sich Bombardier das Ingenieurbüro für Kunststofftechnik und Formbau PKF aus Ruschberg ins Boot. Das Projekt stellte Inhaber Guntram Pletz zunächst vor einige Herausforderungen. „Die Herstellung der besonderen Module war eine Premiere für uns. Zwar sind wir Spezialisten im Formenbau, doch mit Beton hatten wir bis dato kaum Erfahrung“, so Pletz. „Die Schwierigkeit lag darin, dass alle Teile, wie Armierungskomponenten, Verbindungsträger und vor allem die Induktionsspule, in exakter Position bleiben mussten – auch während die Teile mit Beton vergossen wurden.“ Marc Potrykus, Vertriebsleiter im Gebiet Rhein-Nahe der Heidelberger Beton GmbH, fügt hinzu: „Wir mussten dafür einen besonders fließfähigen und selbstverdichtenden Beton entwickeln (Ausbreitmaß kleiner 700 Millimeter). Der Grund:

Zum einen mussten alle Kabel und Bauteile vom Beton lückenlos umschlossen werden, zum anderen war ein Verdichten in den filigranen Bauteilen nicht möglich.“ Eine weitere Herausforderung war, dass der Beton die Anforderungen eines C50/60 mit der Expositionsklasse XF4 (frost – und tausalzbeständig) erfüllen musste. Um einen stabilen Luftporengehalt gewährleisten zu können, kamen hier Mikrohohlkugeln zum Einsatz. Rund zwei Monate wurde mit zahlreichen Versuchen durch Heidelberger Beton an der sensiblen Rezeptur gefeilt. „Nur durch das Zusammenspiel aller Beteiligten konnten wir schließlich das optimale Ergebnis erreichen“, so Potrykus. Rund eine Mannwoche Zeit braucht die Produktion des fünf mal zwei Meter großen Fertigteils mit einer Stärke von 25 Zentimetern. Nach einem Monat Aushärten sind die Module schließlich bereit, um an ihrem Bestimmungsort verbaut zu werden. Mittlerweile wurden 25 Fertigteile hergestellt, die – neben Mannheim und Braunschweig – künftig auch an PRIMOVE Induktionshaltestellen in Berlin und in Brügge in Belgien zum Einsatz kommen werden. „Diese Technologie ist eine schöne Option. Ich bin mir sicher, dass sie ein Wegweiser in die Zukunft sein wird“, sagt Guntram Pletz. Ziel aller Beteiligten ist es daher auch, dieses System weiterzuentwickeln und in den Städten zu etablieren. „Wir bringen zwar auch ein bisschen Idealismus mit – aber wir glauben dran“, so Pletz weiter. Dass dies funktioniert, hat uns Carl Benz schon vor 130 Jahren vorgemacht.

Text: Conny Eck, HeidelbergCement AG


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